Stellungnahme
Stellungnahme des Vorstands des Fördervereins Gedenkstätte Stalag (VI K) Senne e.V.
Am 6. Mai 2015 sagte der damalige Bundespräsident Joachim Gauck in Schloß Holte-Stukenbrock in seiner Rede zum 70. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs, dass das grauenhafte Schicksal der sowjetischen Kriegsgefangenen als zweitgrößte Opfergruppe mit ungefähr 3 Millionen Toten nie angemessen ins öffentliche Bewusstsein gekommen sei und bis heute in einem „Erinnerungsschatten“ liege.
Daraufhin haben wir zusammen unter anderem mit einem Lenkungskreis von Vertreter:innen aus Politik, Wissenschaft und Kultur, unter Vorsitz des Landtagspräsidenten André Kuper (CDU) und dem Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL), über viele Jahre hinweg an einer Neukonzeption der bisherigen Gedenkstätte mitgearbeitet. Von Anfang an war klar, dass sich die kommunale Familie in Ostwestfalen-Lippe an den jährlichen Betriebskosten der zukünftigen Gedenkstätte beteiligen soll. Sämtliche politischen Entscheidungsträger:innen waren in den Prozess eingebunden und es gab eine breite Zustimmung, auch im Kreistag Gütersloh. Die Betriebskosten wurden jederzeit transparent und nachvollziehbar dargestellt. Die Entscheidung der Gütersloher CDU-Fraktion sowie der FWG/UWG und der AFD gegen eine Beteiligung an den Betriebskosten hat uns zutiefst getroffen und schockiert.
Uns erreichen unzählige Nachrichten & Solidaritätsbekundungen. Dafür möchten wir uns ganz herzlich bei allen Unterstützer:innen bedanken. Leider schaffen wir es gerade nicht auf alle Nachrichten zu antworten.
Seit der Inbetriebnahme der Gedenkstätte Stalag 326 (VI K) Senne im Jahre 1996 bemüht sich der Förderverein um eine Trägerschaft bzw. um eine gesicherte Finanzierung. Es gab Zeiten, in denen die Gedenkstätte vor dem Aus stand, da es kaum finanzielle Möglichkeiten gab, um den Betrieb aufrechtzuerhalten. Dank vieler großzügiger Spenden und der jährlichen Zuschüsse in den letzten Jahren durch den Kreis Gütersloh und die Stadt Schloß Holte-Stukenbrock, zuletzt in Höhe von jeweils 25.000 Euro, konnten wir aber weitermachen. Es ist vor allem den zahlreichen ehrenamtlichen Mitarbeiter:innen zu verdanken, dass wir bis heute unsere Angebote weiter durchführen können. Nicht nur die ehrenamtlichen Mitarbeiter:innen, sondern auch der Vorstand haben in den letzten Jahren noch einmal alle Kräfte mobilisiert, in der Hoffnung, dass die Gedenkstätte eine gesicherte Zukunft bekommt.
„Gedenken kann man nicht kaufen“, so die Fraktionsvorsitzende Birgit Ernst von der Gütersloher CDU. Poltisch-historische Bildung und die wissenschaftliche Aufarbeitung der Geschichte des Stalag 326 sowie der Nachkriegszeit gibt es aber nicht zum Nulltarif! Im Zusammenhang mit der Geschichte des Stalag 326 dokumentieren die historischen Gebäude, die dringend saniert werden müssen, die NS-Verbrechen und dienen dem Gedenken an die Opfer. Die geplante Ausstellung auf dem ehemaligen Lagergelände, d.h. am historischen Ort, soll ausführlich über die Verbrechen an den über 300.000 Menschen, vor allem aus den verschiedenen Teilen der ehemaligen Sowjetunion, die zwischen 1941 bis 1945 im Stalag 326 untergebracht waren, informieren. Zudem soll es vielseitige Vermittlungsangebote geben.
Es wird ein Ort geschaffen, an dem die Menschen gemeinsam der Opfer der NS-Vernichtungspolitik gedenken können. Und ja, solche Gedenk- und Erinnerungsorte kosten Geld, da sie erhalten, ausgebaut oder überhaupt erst errichtet werden müssen. Sicherlich ist die Frage legitim, warum die ehrenamtlichen Mitarbeiter:innen nicht einfach so weitermachen wie bisher? Seit 1996 kümmern sich die ehrenamtlichen Mitarbeiter:innen um die vielfältigen Aufgaben der Gedenkstätte. Sie haben unter anderem eine Bibliothek und die historische Sammlung aufgebaut. Sie haben Tausende Besucher:innen durch die Gedenkstätte geführt, Studientage für Schüler:innen und Jugendliche organisiert. Sie haben Workshops, Tagungen und Konferenzen mitgestaltet und sie kümmern sich besonders um die Belange der Angehörigen der Opfer. Über viele Jahre mussten sogar die Räume der Gedenkstätte selbst gereinigt werden, da der Verein sich keine Reinigungskraft leisten konnte. Die meisten ehrenamtlichen Mitarbeiter:innen, fast alle im Rentenalter, teilweise schon seit über 10 Jahre aktiv, sehen sich nach der Entscheidung im Kreistag Gütersloh nicht mehr in der Lage, dem zeitlichen Umfang, der Vielfalt und der Qualität der Anforderungen gerecht zu werden. Alle haben in den letzten Jahren am Rand ihrer Kräfte gearbeitet und möchten so nicht mehr weitermachen. Die Bereitschaft weiter mitzuarbeiten, bleibt zwar erhalten, aber nicht in dieser Form. Auch der Vorstand des Fördervereins und der Geschäftsführer der Gedenkstätte sind der Meinung, dass es nach dieser Entscheidung so nicht mehr weitergehen kann. Deshalb wird die Gedenkstätte bis auf weiteres geschlossen, um in Ruhe die Lage zu sondieren und über die Konsequenzen des Kreistagsbeschlusses nachzudenken und zu prüfen, ob sie überhaupt noch weiter in Betrieb bleiben kann. Die Jubiläumsfeier „30 Jahre Förderverein“ am 21. Oktober 2023 wird so nicht stattfinden. In der jetzigen Situation ist keinem zum Feiern zu Mute.
Die Absicht der CDU-Fraktion (Gütersloh), noch einmal mit der Planung von vorne zu beginnen, nicht auf Grundlage der Machbarkeitsstudie, ist aus unserer Sicht nicht tragfähig. Es ist zu befürchten, dass zumindest die Bundesförderung in Höhe von 25 Millionen Euro nach dem Kreistagsbeschluss nun nicht mehr zur Verfügung stehen wird. Damit wäre die Neukonzeption der Gedenkstätte endgültig gescheitert, sollte sich nicht noch kurzfristig eine politische Lösung finden. Für unser Engagement bekamen wir in den letzten Jahren viel Zuspruch seitens der Besucher:innen und von den politischen Entscheidungsträger:innen, in denen wir nicht „nur“ über viele Stunden das Schicksal der Kriegsgefangenen dargestellt haben. Ebenso sprachen wir ausführlich über die Weiterentwicklung der Gedenkstätte – auch mit denjenigen, die jetzt gegen den Ausbau votiert haben. Erfreulich ist aber, dass sich die Mitgliederzahl des Fördervereins in den letzten Jahren auf 112 verdoppelte. Und denen, die meinen „Wen interessiert das überhaupt noch!“, sei gesagt, dass das Interesse an der Geschichte des Stalag 326 seit Jahren stetig zunimmt, vor allem auch bei den jüngeren Menschen.
Gerade in der jetzigen Zeit ist es für die Demokratiebildung bei wachsendem Rechtspopulismus besonders wichtig, über den Nationalsozialismus mit seiner vernichtenden Ideologie der Ungleichwertigkeit der Menschen aufzuklären und vor den Gefahren für die Demokratie zu warnen.